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Mädchen müssen kein Rosa tragen. Von Farben und Normgeschlecht

In diesem Blogpost geht es mal nicht ums Studieren, sondern um ein anderes Thema, das mich im Grunde seit der Geburt meiner Tochter beschäftigt. Weil es mir so wichtig ist, habe ich lange an den Formulierungen gefeilt und hoffe, dass klar wird, was ich meine. Es geht um Farben, Geschlechter, internalisierte Klischees und Normen.

Es gibt viele Dinge, die mir bei der Kleidung, die mein Kind trägt, wichtig sind. Sie soll ohne Schadstoffe sein, sie soll heile sein, sie soll (zumindest morgens) sauber sein. Was sie nicht sein muss, ist rosa.
Natürlich hat mein Kind auch rosa Klamotten, genauso wie es blaue, gelbe, rote, grüne und bunte Klamotten hat.

Ziemlich schnell nach der Geburt meiner Tochter habe ich gemerkt, dass es für andere Menschen, bekannte und fremde, sehr viel wichtiger ist, welche Farben mein Kind trägt.
Wenn ich mit meinem Kind unterwegs bin und es hat etwas an, das rosa ist – und wenn es nur die Socken sind -, dann wird sie von den meisten Leuten als Mädchen wahrgenommen. Wenn nichts rosafarbenes dabei ist, ist sie für die Allermeisten ein Junge.

Hier ein paar der (wirklich unglaublich vielen) Beispiele:

Im Krankenhaus wenige Tage nach der Geburt meiner Tochter. Eine Krankenschwester, die uns bereits kannte, kam in unser Zimmer. Meine Tochter hatte einen blauen Body an. Die Krankenschwester bezeichnete mein Kind dann auch als „sie“, korrigierte sich dann aber vermeintlich und meinte „er“, woraufhin ich ihr sagte, dass „sie“ schon richtig war und wir beide etwas lachen mussten, dass die Farbe eines Kleidungsstücks solche Verwirrung stiften kann. Wenn ich gewusst hätte, wie viel Ärger mir dieses Thema noch bringen würde, hätte ich es wohl nicht so lustig gefunden…

Neulich erst beim Kinderarzt. Der Arzt kommt ins Behandlungszimmer und begrüßt meine Tochter mit den Worten „Na, kleiner Mann“. Auf meinen Hinweis, dass mein Kind ein Mädchen ist, meinte er „Achja, zu viele blaue Klamotten.“ Mal abgesehen davon, dass ich es bedenklich finde, wenn ein Arzt seine Patient:innen verwechselt – nein, es gab da nicht zu viele blaue Klamotten, sondern zu viele Klischees in seinem Kopf.


Und das ist richtig krass, finde ich. Weil das keine Einzelfälle sind, sondern richtig häufig vorkommt. Ich bin mittlerweile eher überrascht, wenn es anders läuft.
Bei so vielen Menschen steckt noch drin, was angebliche „Jungsfarben“ und was „Mädchenfarben“ sein sollen. Und Vielen ist das überhaupt nicht bewusst. Ich will gar nicht ausschließen, dass mir das auch passieren kann.

Am meisten stört mich folgendes:
Eigentlich ist es mir vollkommen egal, ob mir unbekannte Menschen erkennen, ob mein Kind ein Mädchen oder ein Junge ist. Aber es gibt da ein Muster, das ich bedenklich finde.
Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass mein Kind ein Mädchen ist, wenn sie irgendetwas rosafarbenes anhat. Wenn sie hingegen IRGENDEINE andere Farbe trägt, egal welche, dann wird sie von den meisten für einen Jungen gehalten.
Die Norm ist also der Junge, und wenn das Geschlecht abweicht, muss das durch etwas markiert werden (rosa).
Dass das Männliche die Norm ist und das Weibliche von Vielen immer noch als „anders“ wahrgenommen wird, ist nichts neues. Von Crashtest-Dummies über Medizinprodukte bis hin zu Medikamenten, alle sind sie für Männer gemacht.
(Und ich gehe hier noch nicht einmal darauf ein, dass eine solche Denkweise nicht nur zwei Geschlechter hierarchisiert, sondern Geschlecht auch als etwas Binäres darstellt.)

Ich finde es wirklich erschreckend, dass diese Normierung schon so früh beginnt. Eigentlich dachte ich ja, dass wir gesellschaftlich viel weiter wären. Aber dann habe ich ein Kind bekommen und gemerkt, dass wir noch ganz am Anfang stehen.

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