Wie sieht studieren mit Kind in der Praxis aus?
Ich höre oft, wie toll Leute es finden, dass ich gleichzeitig studiere und ein Kind großziehe. Aber mir ist aufgefallen, dass kaum jemand weiß, wie das tatsächlich aussieht. Deshalb dachte ich mir, ich schreibe mal auf, wie wir im Alltag beides unter einen Hut bekommen.


Da ich mitten im Studium schwanger geworden bin, musste ich überlegen, ob und, falls ja, wie lange ich pausieren wollte.
Man hat grundsätzlich die Möglichkeit, ein Urlaubssemester zu nehmen. Darüber hatte ich auch nachgedacht, an meiner Uni ist das so geregelt, dass ich trotzdem noch Veranstaltungen hätte besuchen und Prüfungen ablegen können.
Letztlich hätte das finanziell aber keinen Sinn ergeben, deshalb habe ich mich dagegen entschieden. (Mein Freund hat das aber gemacht und ist jetzt schon im dritten Urlaubssemester.)
Meine Tochter ist einen Monat vor Beginn der Semesterferien geboren worden. Um das Semester nicht umsonst studiert zu haben, habe ich meine Prüfungen vorgezogen. Vier Wochen vor dem Entbindungstermin hatte ich meine letzte mündliche Prüfung, bin danach in die verfrühten Semesterferien gestartet, habe mein Kind bekommen und bin insgesamt vier Monate komplett zu Hause geblieben.
Dann ging das nächste Semester los und weil ich es liebe zu studieren, wollte ich auch so früh schon weitermachen.
Mein Freund und ich haben das Glück, dass wir beide studieren, weshalb wir unsere Stundenpläne ganz gut aufeinander abstimmen konnten. So war immer eine*r von uns mit unserer Tochter zu Hause und der*die andere konnte zur Uni.
Unser Unialltag verändert sich mit jedem Semester. Ich beschreibe mal kurz die beiden Semester, die wir schon geschafft haben.
Unser 1. Semester mit Kind (4-6 Monate alt)
Mein Freund und ich waren immer abwechselnd in der Uni und mit unserer Tochter zu Hause. Auch das Lernen haben wir so organisiert. Weil wir beide nur jeweils zwei Seminare belegt hatten, ging das auch recht unkompliziert. Natürlich war es in der Hochphase des Hausarbeitenschreibens trotzdem super stressig, weil wir übermüdet waren und es schon einen Unterschied macht, ob man sich tagsüber einfach ein paar Stunden hinsetzen und lernen kann, oder ob man sich mit einem Partner absprechen und Rücksicht auf die Bedürfnisse eines Babys nehmen muss, die im Zweifel vorgehen.
Ich habe zu der Zeit noch gestillt und konnte währenddessen Texte für die Uni lesen. Gerade in den ersten Monaten habe ich so bis zu vier Stunden am Tag lesen können.
Unser 2. Semester mit Kind (9-12 Monate alt)
Im zweiten Semester mit Kind lief alles schon etwas anders ab.
Sowohl mein Freund als auch ich haben mehr Veranstaltungen besucht und unsere Tochter ist zu einigen davon mitgekommen.
Am Anfang habe ich noch versucht, fünf Seminare zu besuchen, daraus sind im Lauf der ersten Wochen aber schon vier geworden, weil die Belastung zu hoch war.
Auch mein Freund musste seinen anfangs vollgepackten Stundenplan ausdünnen. Weil das vorherige Semester so gut lief, waren wir wohl beide zu enthusiastisch.
Was dafür super lief, war gemeinsam ein Seminar zu besuchen. Wir haben immer ganz hinten neben der Tür gesessen, um im Zweifelsfall schnell den Raum verlassen zu können, falls unsere Tochter schreien sollte. Und auch, damit uns alle die ganze Zeit beobachten konnten.
Es war für die meisten anderen Studierenden total okay, wenn unsere Tochter mal etwas erzählt und vor sich hin gebrabbelt hat, und die Dozentin hat sich sogar manchmal während des Seminars mit ihr unterhalten.
Wenn eine*r den Raum verlassen musste, konnte der*die andere weiter mitschreiben und so hat niemand viel verpasst.
In einem anderen Seminar war ich alleine mit Kind. Das war schon stressiger, weil niemand für mich mitgeschrieben hat, wenn ich mal raus musste.
Meine Tochter findet es übrigens ganz toll, in der Uni zu sein. Sie ist eine kleine Rampensau und in der Uni ist sie oft einfach das Highlight, vor allem in den Seminaren.
Mit dem Lernen wird es langsam schwieriger. Wenn sie wach ist, will ich ja auf meine Tochter konzentrieren; Deshalb lerne ich abends bis nachts, tagsüber während des Mittagsschlafs meiner Tochter und immer mal wieder zwischendrin. Wenn ich mal alleine unterwegs bin und zehn Minuten in der Bahn sitze, lese ich einen Text auf dem Handy. Wenn ich einen Arzttermin habe und im Wartezimmer bin, arbeite ich an meiner nächsten Hausarbeit.
Ideal ist das nicht. Es ist so ein zerstückeltes Lernen… aber es funktioniert.
Trotzdem freue ich mich darauf, vormittags mehrere Stunden am Stück lernen zu können, wenn meine Tochter in die KiTa kommt.
Erstmal steht jetzt aber das Sommersemester an. Leider kann meine Tochter jetzt nicht mehr mitkommen, weil sie zu alt ist, um im Kinderwagen zu sitzen und zu spielen. Sie läuft mittlerweile und ist total aufgeweckt, sie würde jedes Seminar auf den Kopf stellen.
Habt ihr auch Erfahrungen damit, Kind und Uni unter einen Hut zu bekommen? Wenn ihr Tipps für mich habt, immer gerne her damit!


